Text und Bilder: Heidi Källner
Und der König erhöhte Daniel . . . machte ihn zum Fürsten über das ganze Land (Daniel 2 Vers 48)
„Daniel“, der Turm der St. Georgskirche von Nördlingen ist 89,9 m hoch mit 350 Stufen. Seinen Namen erhielt er aus dem Volksmund nach obigem Bibelvers.
Hoch oben auf dem Daniel, In der Turmstube wohnen abwechselnd die „Türmer“. Im Mittelalter war es ihre Aufgabe über die Stadt zu wachen und „So G`sell So“ vom Turm zu rufen. An allen 5 Stadttoren standen Wächter. Sie mussten mit einem „So G`sell so“ antworten. Dadurch wurde die Wachsamkeit der Wächter kontrolliert. Traditionsgemäß ruft der Türmer auch heute noch jede halbe Stunde ab 22 bis 24 Uhr sein „so G`sell so“ vom Daniel.
Jetzt erzähle ich Ihnen die Geschichte von „Wendelstein“, eine wahre Geschichte. Der Turmwächter ist nicht mehr allein, denn es gibt die „Wendelstein“ Bei einem Besuch vom Daniel kam mir eines Tages im Turm eine Katze entgegen. Was will die Katze hoch oben auf dem Daniel?
An einem kalten Wintertag eilte eine dreifarbige Katze, eine Glückskatze, die vielen Treppen nach oben bis in die Turmstube – und ging nicht mehr. . . d.h. sie ging schon täglich ein paar mal die Treppen runter und wieder hoch, drehte mehrmals ihre Runden in der Stadt – und stand dann wieder oben . . . zum Aufwärmen, zum Futtern, zum Schlafen und zum Schmusen. Ja es blieb den treuen Wächtern hoch oben über Nördlingen nichts anderes übrig als Futter und Katzenstreu zu besorgen und hochzutragen, damit alles seine Ordnung hat. Jetzt fehlte nur noch der Name. Da hab ich wieder etwas dazu gelernt: früher, sehr viel früher hieß der Turm „Wendelstein“, so erzählte mir der diensthabende Turmwächter. Erst „Stein“, dann „Wendelstein“.
Für einen Turm als Name ganz gut – aber als Name für eine Glückskatze? Das ist kein üblicher Katzenname – aber er ist ein Name mit besonderer Ausstrahlung von Stärke und Größe. Wenn man so hoch oben wohnen darf, darf man auch einen besonderen Namen tragen.
„Wendelstein“ fühlt sich da oben als die Dame des Turmes – begrüßt jeden Besucher einzeln, hüpft aufs Fensterbrett und schaut sich Nördlingen von oben an, geht ganz selbstverständlich in den Wohn – Schlaf – und Essraum ihres Freundes – und begleitet mich ganz selbstverständlich auf meinem Abstieg ins Städtle . . .
Inzwischen ist Wendelstein die höchste Angestellte der Stadt Nördlingen, ohne Gehalt aber bei freier Kost und Logis. Sie vertreibt die vielen Tauben auf dem Daniel. Das ist ihre Aufgabe. Sie jagt sie nicht, sie flößt ihnen Respekt ein. Mäuse gibt es da oben nicht, aber Tauben – nichts als Tauben.
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